"Lichterwelten" im Bergzoo

Offener Brief des NABU Halle/Saalkreis an den Oberbürgermeister

Halle (Saale),  14.02.2020

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
Sehr geehrter Herr Zoodirektor,
Sehr geehrte MZ-Lokalredaktion,
Sehr geehrter Stadtwerkegeschäftsführer,

Auch im Jahr 2020 hält der Zoo Halle mit den „Magischen Lichterwelten“ wieder eine gigantische Lichterschau ab. Konnte man bei den ersten beiden Lichterwelten mit Tierdarstellungen wenigstens noch einen Bezug zum Zoo erkennen, lautet das Motto der diesjährigen Show „Mythen, Märchen und Legenden“. Ein gewaltiger Zuschauerstrom, ca. 2.500 Menschen pro Nacht, insgesamt etwa 150.000 Besucher aus dem gesamten Bundesgebiet, werden erwartet. Wir wissen auch, dass es ein Balanceakt ist, dem Anspruch einer artgerechten Tierhaltung zu genügen und die Besucher zugleich bei Laune zu halten bzw. neue Besucher zu gewinnen. Aber das Tierwohl muss Vorrang haben… 

 

Unsere Kritik richtet sich deshalb an den Ausrichter des Lichterspektakels, denn den rechtlichen Rahmen für den Betrieb eines Zoos bilden die EU-Richtlinie 1999/22/EG über die Haltung von Wildtieren in Zoos, § 42 Bundesnaturschutzgesetz sowie das Tierschutzgesetz.  Danach lassen sich die Aufgaben eines Zoos in vier Punkte zusammenfassen: Natur-/Artenschutz, Forschung, Bildung und Erholung. Events zur nächtlichen Stunde gehören nicht dazu. Die Wildtiere werden zur Staffage. Die sonst ruhigen Abende werden durch laute Musik, Stimmengewirr, eine mehrmals pro Abend stattfindende Bühnenshow, bunte Beleuchtung, Taschenlampen- und Blitzlichter gestört. Alles Tatbestände, die sogar im Widerspruch zur zooeigenen Besucherordnung stehen! Jedem wohlmeinenden Zoobesucher müsste es einleuchten, dass für Wildtiere solch ein wochenlanger Trubel bis spät in die Nacht hinein mit erheblichem Stress verbunden ist, nicht artgerecht sein kann und gesundheitsgefährdend wirkt. In der doppelseitigen Anzeige in der MZ vom 14. Februar 2020 rät der Veranstalter pikanterweise davon ab, den Haushund mitzubringen, denn „Für die meisten Hunde sind das viele Licht und die möglichen größeren Menschenansammlungen zumeist purer Stress …“.  Und für die Zootiere wohl nicht?  Wir wissen nicht sicher, wie sie solchen Dauerstress empfinden, aber zumindest bei Primaten sollten wir davon ausgehen, dass diese ähnliche Empfindungen wie wir haben und unter solchen Situationen leiden.

Weshalb wurde ein Vorschlag des NABU-Regionalverbandes aus dem Jahre 2018, den unmittelbar angrenzenden Park Reichardts Garten für die „Lichterwelten“ zu nutzen, nicht aufgegriffen? Das Saaleufer zwischen Giebichensteinbrücke und Klausbergen oder das Rive-Ufer bis hin zur Würfelwiese wären ebenfalls sehr gut geeignet. King Kong kraxelt an den Felsen zur Burg Giebichenstein hinauf, Wal Mobi Dick schwimmt auf der Saale am „Krug zum grünen Kranze“ vorbei oder das Seeungeheuer Nessi taucht aus dem Teich der Fontäne auf der Ziegelwiese auf! Welche Vorstellung! Ein zweites Laternenfest, nur eben im Winter… 

Die Landeshauptstadt Magdeburg hat in der Weihnachtszeit gerade vorgemacht, dass eine Illumination des öffentlichen Raumes eine gute Alternative darstellen würde. Ebenso die Stadt Jülich, wo eine Parkanlage beleuchtet wurde.


Hochachtungsvoll


Dr. U.-V. Köck
Vorsitzender
NABU-Regionalverband
Halle/Saalkreis e.V.

„Magische Lichterwelten“ im Zoo Halle -

Position des NABU

Halle, im März 2019

Gerade sind die „Magischen Lichterwelten“ im Zoo Halle unter dem Titel „New Worlds“ zu Ende gegangen und haben in sieben Wochen vom 26.01. – 17.03.2019 über 135.000 Besu-cher in  den Zoo gelockt. Damit wurden die vorjährigen, fünf Wochen dauernden, Lichterwel-ten mit 94.000 Besuchern deutlich übertroffen. Der Zoo Halle, als Veranstalter dieser Show, warb auch diesmal in allen Medien sowie auf Plakatwänden und Bannern in der Stadt mit Superlativen wie größer, schöner, bunter und vielfältiger. Es ist davon auszugehen, dass kein anderes Ereignis in der 118jährigen Geschichte des halleschen Zoos so intensiv beworben wurde wie dieses.

Lichterwelten in den Medien
Nachdem es im vergangenen Jahr zwei kritische, aber sehr gekürzte, Leserbriefe in die MZ geschafft hatten, waren in diesem Jahr nur noch „Jubelmeldungen“ zum Event erschienen. Verwunderlich war das nicht, wurde dieses Event doch vom Mitteldeutschen Rundfunk und der Mitteldeutschen Zeitung präsentiert, von Medien, deren Aufgabe es eigentlich ist, gesell-schaftliche Ereignisse distanziert kritisch zu begleiten um darüber unvoreingenommen und objektiv berichten zu können. Da sie sich aber vor den Karren haben spannen lassen, waren sie eben nicht mehr unabhängig und überparteilich, auch wenn das die MZ bei jeder Ausgabe ihres Blattes unter den Namenszug druckt.
Ein ganz anderes Bild zeichnete sich ab, wenn man mit Mitgliedern, Bekannten und Freun-den, mit Zooanrainern und anderen naturverbundenen Personen darüber ins Gespräch kam. Da wurde deutliche Kritik in verschiedenster Hinsicht laut, die von massivem Unverständnis zum Veranstaltungsort Zoo bis zur mangelhaften Lenkung der Besucherströme reichte. Es war schon verwunderlich, dass darunter kaum jemand war, der diese Veranstaltung uneinge-schränkt begrüßte und schön fand. Es wäre ja davon auszugehen, dass auch ein Teil der Eventbesucher nicht davon begeistert war und es sicher auch dem Veranstalter und/oder den Medien mitgeteilt hatte. Leider wurden solche Meldungen systematisch unterdrückt, um mit dieser Kampagne ein ungetrübt positives Bild zu zeichnen und so die Medienkonsumenten durch einseitige Berichterstattung zu manipulieren.
Der Zoo ist eine gemeinnützige städtische GmbH, die jährlich mit einigen Millionen städti-schem Geld unterstützt wird. Die Gemeinnützigkeit ist an gesetzliche Vorgaben wie Natur-schutz und Bildung gebunden. Zoos haben klar definierte Aufgaben und Ziele und die Bürger dieser Stadt haben ein Recht darauf, sich durch eine objektive Berichterstattung ein differen-ziertes Bild von ihrem Zoo und seinen besucherwirksamen Veranstaltungen zu machen.
Da sich die etablierten Medien einer solchen Berichterstattung verweigerten und die sozialen Medien nicht der richtige Ort dafür sind, wollen wir hier versuchen, die wichtigsten Kritikpunk-te zusammenzufassen. Es ist ja zu befürchten, dass auch im kommenden Jahr eine Neuauf-lage der Lichterwelten wieder im Zoo stattfinden wird.

Lichterwelten und das Bundesnaturschutzgesetz
Unsere Kritik richtet sich vor allem gegen den Veranstaltungsort, den Zoo Halle, denn da ha-ben „Magische Lichterwelten“ wirklich nichts zu suchen. Was Zoos sind, sowie ihre Aufgaben und Ziele, ist im Bundesnaturschutzgesetz §42 klar festgelegt. Die Aufgaben lassen sich in die vier Punkte zusammenfassen: Natur-/Artenschutz, Forschung, Bildung und Erholung. Sie gelten für alle wissenschaftlich geleiteten Zoos, sind im Leitbild des Verbandes der Zoologi-schen Gärten (www.vdz-zoos.org) und in aller Ausführlichkeit in der Welt-Zoo- und Aquarium-Naturschutzstrategie des Weltverbandes der Zoologischen Gärten nachlesbar (www.waza.org). Da geht es um den Schutz der Lebensräume, um die Erhaltung der Arten-vielfalt, um das Sammeln von zoologischen und veterinärmedizinischen Kenntnissen, um die Verbesserung der Haltungsbedingungen, um Bildung für nachhaltige Entwicklung und um Erholung in naturnaher Umgebung. Lebende Tiere sind das Alleinstellungsmerkmal von Zoos, ihre optimale Unterbringung und Präsentation, aber nicht wochenlange Events zur nächtli-chen Stunde. „Magische Lichterwelten“ sind u.E. daher unvereinbar mit den Aufgaben und Zielen eines Zoos, die sich aus dem § im Bundesnaturschutzgesetzt ergeben, und eines seri-ösen Zoos unwürdig. Leider gab es unseres Wissens weder von der Untere Naturschutzbe-hörde als Kontrollinstitution, noch von anderen Naturschutzverbänden Stellungnahmen dazu. Das Schweigen zu dieser Zooveranstaltung musste die uninformierte Allgemeinheit als Zu-stimmung werten.

Lichterwelten und das Tierschutzgesetz
Es ist aber noch ein weiterer Aspekt kritisch zu betrachten. Stellen Sie sich vor, auf dem Gar-tenweg vor ihrem Schlafzimmerfenster wälzen sich wochenlang bis spät in die Nacht hinein Menschenmassen vorbei. Die sonst ruhigen Abende werden durch Stimmengewirr, Kinder-geschrei, laute Musik, bunte Beleuchtung, Taschlampengefunzel und Blitzlichter gestört. Je-der Mensch würde sich solch einen Dauerstress verbitten. Die Zootiere können das nicht und die Beteuerungen der Zooleitung, dass der Trubel keine Auswirkungen auf die Tiere hat, sind nicht sehr glaubhaft. Von Besuchern dieser Veranstaltung wurde uns berichtet, dass die Löf-felhunde aufgeregt in ihrer Außenanlage hin- und herliefen und das die Vögel in der großen Voliere am Turm ständig herumflogen. Leider wissen wir nicht sicher, wie Tiere solchen Dau-erstress empfinden, aber zumindest bei Primaten kann man davon ausgehen, dass diese ähnliche Empfindungen wie wir haben und unter solchen Situationen leiden. Die laute Musik der Show, die mehrmals am Abend stattfand, war im angrenzenden Wohnviertel so laut zu hören, dass ein auf normaler Lautstärke laufendes Fernsehprogramm nicht mehr zu verfol-gen war. In Luftlinie zwischen der Showbühne auf dem Reilsberg und dem Wohnviertel liegt aber das Schimpansenhaus. Weitere Tiere, z. B. die Totenkopfaffen, die bei Einbruch der Dunkelheit eigentlich schlafen, mussten bis spät in die Nacht die helle Beleuchtung ihrer An-lage ertragen. Die Großkatzen im Raubtierhaus hatten neben dem Licht in ihren Anlagen auch noch die Berieselung mit Musik hinzunehmen. Es ist doch bekannt, dass auch Tiere, die des Nachts nicht schlafen, für ihre Aktivitätsphasen Dunkelheit brauchen. Dagegen wurden weite Teile des Zoos mit 15.000 LED-Lampen beleuchtet und dieses blaue kurzwellige Licht soll nach Aussagen des Zoos besonders tierschonend sein. Auch das ist fraglich, wird doch beim Menschen durch blaues Licht die Bildung des Schlafhormons Melatonin unterdrückt. Und warum wohl sind an den Landstraßen die Wildwarnreflektoren blau? Doch wohl, weil blaues Licht von Wildtieren besonders gut wahrgenommen wird und die Scheuchwirkung damit am größten ist. Auch wenn Zootiere scheinbar ruhig die Störungen hinzunehmen scheinen, so sagt das gar nichts über ihren inneren Erregungszustand aus.

Im §1 des Tierschutzgesetzes steht: „…Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen.“ Damit ist diese Veranstaltung an diesem Ort u.E. tierschutzwidrig, ein vernünftiger Grund dafür nicht erkennbar. Der Hinweis, dass solche Ver-anstaltungen auch in anderen Zoos stattgefunden haben, ist nicht stichhaltig. Die Zoos in Köln und Antwerpen haben ganz andere Platzverhältnisse und da fand das Event im gärtnerischen Teil der Zoos statt und nicht wie hier in Halle, zwischen und in den Tieranlagen. Es ist auch nicht fair so mit dem tierpflegerischen Personal umzugehen, das zu vielen Pfleglingen ein inniges Verhältnis und mit ihnen wochenlang gelitten hat. Vom Veterinär- und Lebensmitte-überwachungsamt als Kontrollbehörde, aber auch von Tierschutzvereinen wurde uns keine Einschätzung bekannt, was abermals als Zustimmung gewertet werden kann. Vielleicht füh-len sich nun ja auch die Sponsoren, die Stadtwerke Halle GmbH, die Hallesche Wohnungs-gesellschaft mbH, die GP Günter Papenburg AG, die Saalesparkasse und die Rheingas Hal-le-Saalegas GmbH hintergangen, da sie die natur- und tierschutzrechtliche Relevanz dieser Veranstaltung sicher nicht einschätzen konnten.

Lichterwelten und die finanziellen Mehreinnahmen
Wenn selbst einem Laien einleuchtet, dass für Wildtiere solch ein wochenlanger Trubel mit Lärm, Musik und Licht bis spät in die Nacht hinein mit erheblichem Stress und Leid verbun-den ist, nicht artgerecht sein kann und gesundheitsgefährdend wirkt, wie kommt eine Zoolei-tung darauf, das Event trotzdem hier stattfinden zu lassen? Alternative Plätze für eine solche Veranstaltung wären ja in unmittelbarer Umgebung des Zoos vorhanden. Reichardts-Garten z.B. oder der Galgenberg, der ja für das Abschlusskonzert der Händelfestspiele auch kom-plett abgesperrt wird. Dann müsste auch der Zoo nicht Veranstalter sein und die Stadt könnte es wie das Laternenfest oder den Weihnachtsmarkt ihren Bürgern präsentieren. Sie scheute aber den organisatorischen Aufwand sowie das finanzielle Risiko und der Aufsichtsrat des Zoos unter Vorsitz des Oberbürgermeisters Dr. Bernd Wiegand fand es sicher hervorragend, dass der Zoo eine Variante gefunden hatte, ohne Millioneninvestition kurzfristig die Besucher-zahlen zu steigern.

Dem Zoo scheint es in diesem Falle nur um das pushen der Besucherzahlen gegangen zu sein, ob finanziell wirklich etwas hängen blieb, ist bei diesem immensen Aufwand und bei Ein-rechnung aller Kosten sicher fraglich. Es wurde ja auch nicht kommuniziert, wie eventuelle Mehreinnahmen verwendet werden sollen. Denkbar wäre ja die finanzielle Unterstützung von Artenschutzprojekten oder die Verbesserung einer Bildung für nachhaltige Entwicklung. Es könnte aber auch sein, dass die Stadt ihren jährlichen Zuschuss an den Zoo daraufhin verrin-gert, da der Zoo ja nun selbst höhere Einnahmen generiert. Um Besuchern mit neuen Tieran-lagen, einem durchdachten Umweltbildungsprogramm, Informationen zu wichtigen Arten-schutzprojekten und zahlreichen Tierkontakten attraktive Angebote zu machen, fehlt dem Zoo offensichtlich immer das Geld. Ausreichend Geld ist aber da, um die „Magischen Lich-terwelten“ zu veranstalten und damit den anspruchslosen Mainstream zu bedienen.
Nur die Zoogastronomie wird sich mit ihren überteuerten Fastfood-Angeboten in diesen Wo-chen vermutlich eine goldene Nase verdient haben. 

Lichterwelten im Zoo ohne Zootiere
Kommen wir aber noch einmal auf das Event an sich zurück. Es zeigte sich ja, dass ein sol-ches buntes und wirklichkeitsfremdes Spektakel, durch Medien regelmäßig beworben, in der Lage war, abertausende Menschen auf die Beine zu bringen. Das ist symptomatisch für un-sere Spaßgesellschaft, die offensichtlich, ähnlich einem Drogensüchtigen, nur noch auf sol-che Kicks reagiert. Die Veranstaltung hatte leider nichts Zoospezifisches und kaum etwas mit chinesischer Kunst und Kultur zu tun. Die vielleicht wirklich mal in Zigong, heute eine Millio-nenstadt in der Südwestchinesischen Provinz Sichuan, beheimatete Laternenkunst ist nun zu einer offensichtlich profitablen Geschäftsidee geworden und perfekt kommerzialisiert. Die leuchtenden Figuren sind aus, mit farbigen Stoffen überspannten und bemalten, Drahtgerüs-ten gefertigt. Sie werden dann zu Gruppen oder Ornamenten arrangierte Schauobjekte und von der chinesischen Firma in vielen Teilen der Welt zu unterschiedlichen Themen präsentiert (www.tianyuculture.us). In Halle wurden in diesem Jahr überwiegend Tiermotive gezeigt, die von der körperlichen Proportionierung durchaus ansprechend, aber von Größen und Farbge-bung unrealistisch waren. Der zoologisch kundige Besucher konnte oft erahnen, welche Tier-arten dargestellt wurden, für alle anderen war es ein überwiegend unnatürliches, buntes Ge-flimmere von z.T. verkitschten und mystischen Tier- und Pflanzendarstellungen, die man auf Jahrmärkte und in Vergnügungsparks verorten würde. Angereichert wurde das Spektakel mit musikalischer Untermalung und Varieteeeinlagen zu chinesischer Kampf- und Kleinkunst. Das Spektakel hatte den Zoo wochenlang in ein Disneyland verwandelt und die eigentlichen Bewohner des Zoos zur Bedeutungslosigkeit degradiert. Dass das Event von vielen Besu-chern als schön und gelungen empfunden wurde, ist sicher möglich, liegt doch die Schönheit einer Sache im Auge des Betrachters.

Lichterwelten und die Nachhaltigkeit
Von einem Zoo, der sich seinen Aufgaben und Zielen verpflichtet fühlt, müssten die interes-sierten Zoobesucher erwarten können, dass er sich auch Gedanken darüber macht, wie um-weltverträglich und nachhaltig seine besucherwirksamen Veranstaltungen sind. Und da sind die „Magischen Lichterwelten“ leider eine ökologische Katastrophe. Die im fernen Zigong mit viel Handarbeit zusammengebauten Schauobjekte wurden mit Unmengen Schaumfolie um-wickelt, in mehr als 20 Überseecontainer verfrachtet und weit über 1000 km zum nächsten Hafen transportiert. Ein Container hat etwa vier Tonnen Leergewicht, und 75 m3 Rauminhalt, die darin verstauten voluminösen Leuchtobjekte wogen sicher nur wenige Hundert Kilo-gramm. So wurde vor allem viel chinesische Luft verpackt, die dann in die Niederlande ver-schifft, auf Sattelschlepper umgeladen und die 600 km bis nach Halle transportiert wurde. Der Abtransport war wohl nach Amerika vorgesehen und erfolgte auf ähnliche Weise. Die erschreckende CO2-Bilanz einer solchen Transportaktion entzieht sich der menschlichen Vorstellungskraft. Das ökologische Desaster vergrößerte sich im Zoo aber noch weiter, wenn hier nur mal der Energieverbrauch für die 15.000 LED-Lampen herangezogen wird. Nimmt man an, dass die durchschnittlich Leistungsaufnahme einer Lampe 6 W beträgt, so verbrau-chen alle zusammen 90 kW pro Stunde. Bei täglich 6 Stunden Veranstaltungsdauer an 6 Ta-gen in der Woche macht das 3.240 kWh, das ist der durchschnittliche Energieverbrauch ei-nes 4-Personen Haushalts im Jahr. Es geht aber noch weiter mit der negativen CO2-Bilanz. Das Event ließ tausende von Besuchern in Halle und der näheren und weiteren Umgebung in ihre Autos steigen, um sich auf den Weg zum Zoo zu machen. Dort angekommen stellen sie fest, dass besonders an Wochenenden Parkhaus und ausgewiesenen Parkplätze überlastet waren und quälen sich deshalb stundenlang durch die zugeparkten engen Straßen rund um den Zoo, um doch noch einen Parkplatz zu erwischen. Zusätzlichen Lärm, Autoabgase und Feinstaub hatten die Anwohner zu ertragen und nur durch gelegentliche Einsätze des Ord-nungsamtes konnte die Zufahrt für Rettungsfahrzeuge zum Zoogelände freigehalten werden.

Lichterwelten und „Fridays for Future“
Jeden Freitag demonstrieren Schüler, Studenten und nun auch Eltern und Wissenschaftler für ihre Zukunft, die durch den fortschreitenden Klimawandel infolge anhaltend steigender CO2-Emmissionen bedroht wird. Die „Magischen Lichterwelten“ im Zoo Halle waren die prak-tische Gegendemonstration zu „Fridays for Future“. Der Klimawandel und die damit einher-gehenden Veränderungen in den Lebensräumen von Tieren und Pflanzen sowie der stetig steigende Verbrauch natürlicher Ressourcen führen zu einem rasanten Artensterben und zur Verringerung der biologischen Vielfalt. Der Bestand an Wirbeltieren ist in den letzten 40 Jah-ren um 60% zurückgegangen (Living Planet Report 2018, www.wwf.de). Das ureigene Anlie-gen der Zoos, die sich Natur- und Artenschutz sowie Forschung und Bildung auf die Fahnen geschrieben haben und von denen in Sachen Natur- und Umweltschutz sowie Nachhaltigkeit eine Vorbildwirkung ausgehen soll, müsste es natürlich sein, dieser negativen Entwicklung entgegenzuwirken und die Zoobesucher auf die dramatischen Folgen unseres zügellosen Konsums deutlich hinzuweisen. Der Zoo Halle tut genau das Gegenteil. Mit diesem Spektakel befeuert er diese maßlose Verschwendung an Material und Energie, nur um 135.000 Besu-chern, ein Drittel der Jahresbesucherzahl, eine bunte, surreale Welt vorzugaukeln, aber ohne die katastrophalen Entwicklungen in der realen Welt zu thematisieren. So war vielleicht auch der Name dieses Events „New Worlds“ zu verstehen. Wir brauchten mehrere neue Welten wenn alle Bewohner dieser Erde so verschwenderisch leben wollten wie wir. Es funktioniert für uns nur, weil Milliarden von Menschen auf solch einen westlichen Lebensstil verzichten müssen. Wer das für Alarmismus hält sollte sich eines ökologischen Fußabdruckrechners aus dem Internet bedienen und Daten für seine persönlichen Lebensumstände eingeben um da-nach vielleicht zu überlegen, wie er selbst durch Verzicht seinen Fußabdruck verringern kann. Politik, Wirtschaft, Medien und leider auch der Zoo unserer Stadt bagatellisieren die Folgen dieser Entwicklung durch arrogante Ignoranz.